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Manfred Siegbert Kapp [*1928]

Geboren am 17.12.1928 in Lüneburg, gestorben am 10.10.2020 in Toronto im Alter von 92 Jahren
Manfred Kapp, Toulouse, 1940er; Privatbesitz Joan Lengel
Manfred Kapp, Toulouse, 1940er; ...

Wohnort

Familie Heinrich Kapp (ca 1925-1933)

Vor der Sülze 1
Lüneburg

Manfred Siegbert "Manny" Kapp wurde 1928 in Lüneburg geboren. Er war das zweite Kind des aus Hessen stammenden Kaufmanns Heinrich Kapp und seiner Frau Sophie geb. Lengel, deren Familie seit der Jahrhundertwende in Lüneburg lebte. Zusammen mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Hanna Josephine wuchs Manfred in Lüneburg in der westlichen Altstadt auf. Seine Eltern hatten in der Straße Vor der Sülze ein kleines Kurzwaren- und Wäschegeschäft.

Manfreds Eltern gehörten zu den ersten Lüneburger Juden, die nach dem Beginn der NS-Herrschaft Anfang 1933 das Land verließen: Im Oktober 1933 floh die ganze Familie Kapp nach Frankreich, zunächst nach Straßburg, 1934 dann weiter ins südfranzösische Toulouse. Später kam auch Manfreds Tante Selma Lengel aus Lüneburg zu ihnen nach Toulouse und heiratete dort Joseph David. Manfred und Josephine teilten nun als kleine Kinder mit ihren Eltern ein Emigrantenschicksal. Die Familie hatte keinen klaren Aufenthaltsstatus und lebte in unsicheren Verhältnissen.

Im Zweiten Weltkrieg gehörte Toulouse zwar zur "Freien Zone", d.h. war nicht direkt von den Deutschen besetzt. Aber das französische Vichy-Regime, das mit den Deutschen eng zusammenarbeitete, erhöhte gemeinsam mit der Gestapo nach und nach auch den Druck auf den Süden Frankreichs. Antisemitische Schikanen und Verfolgung nahmen zu, Razzien waren an der Tagesordnung. Als der Krieg 1940 nach Frankreich kam, meldete sich Manfreds Vater zur französischen Armee und hoffte, so einer Internierung als "feindlicher Ausländer" zu entgehen. Leider ohne Erfolg: Nach Ende seiner Armeezeit wurde Heinrich Kapp im Herbst 1941 im Lager Récébédou bei Toulouse interniert.

Anfang 1942, als Manfred 13 Jahre alt war, wurde auch er zusammen mit seiner Schwester und seiner Mutter in dieses Lager verschleppt. Während die drei nach einigen Monaten wieder entlassen wurden, musste Manfreds Vater im Lager bleiben. Von Récébédou brachte man ihn ins Lager Le Vernet. Im August 1942 wurde er von doft zusammen mit rund 750 anderen Internierten ins Durchgangslager Drancy und am 25. September 1942 weiter nach Auschwitz deportiert.

Währenddessen versuchten Sophie Kapp und ihre Kinder, in Toulouse irgendwie zu überleben. Sie waren ständig in Angst, wiederum festgenommen zu werden. Hinzu kamen große finanzielle Probleme. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 hofften sie auf ein baldiges Ende des Krieges und der Judenverfolgung.

Aber Ende Juli 1944 gerieten Sophie Kapp und ihre Schwester Selma in Toulouse erneut in eine Razzia. Sie waren gemeinsam mit Manfred und seiner Schwester in der Stadt unterwegs gewesen, wollten jedoch auf einem anderen Weg als die Kinder nach Hause gehen. Dort kamen sie nie an. Sie wurden direkt vom Gefängnis in Toulouse ins deutsche KZ Ravensbrück deportiert.

Manfred und seine Schwester waren nun komplett auf sich allein gestellt. Mit der Hilfe von Freunden der Familie überlebten sie bis zum Kriegsende in Toulouse, danach wurden sie von Hilfsorganisationen unterstützt. Ihre Mutter und ihr Vater kamen nicht mehr zu ihnen zurück. Nach dem Krieg bemühten Manfred und Josephine sich, mehr über das Schicksal ihrer Eltern und aller anderen Familienangehörigen zu erfahren, die die Konzentrations- und Vernichtungslager nicht überlebt hatten. Sie erfuhren, dass ihr Vater in Auschwitz umgebracht worden und ihre Mutter kurz nach der Befreiung im KZ Bergen-Belsen gestorben war.

1947 gelang es Manfred und seiner Schwester, zu den Geschwistern ihrer Mutter in die USA zu emigrieren, die in New York lebten. Die Familie kümmerte sich rührend um die beiden Waisen. 1954 heiratete Manfred in New York seine Frau Esther. Die beiden gründeten eine Familie. 1956 zogen sie mit ihren zwei Kindern aus New York weiter nach Kanada und ließen sich in Toronto nieder.

Im Ruhestand verbrachten Manfred und Esther ihre Winter regelmäßig im US-amerikanischen Florida. Manfred war ein begeisterter Golfer. Im Oktober 2020 starb Manfred nach längerer Krankheit in Toronto. Er wurde auf dem Pardes Shalom Cemetery beerdigt.


Quellen und Infos:

Index zum Interview der "Shoah Foundation" mit Manfred Kapp: https://collections.ushmm.org/search/catalog/vha2510

Über das Lager Récébédou (auf Französisch):
http://www.cheminsdememoire.gouv.fr/fr/camp-du-recebedou
https://www.toulouseinfos.fr/musees/1367-le-recebedou-l-lantichambre-dauschwitz-r-au-cur-de-toulouse.html


 

https://steelesmemorialchapel.com/condolence/manfred-kapp/

Namensvarianten: Manny