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Vater von
Ehemann von Maria Bertha Strauß, geborene Gebhardt [*1892]
Familie Dr. Emil Strauß (1922-1926)
Dr. Emil Strauß (1912-1914)
Schlachthausstraße (Reichenbachstraße) 3
Dr. Emil Strauß (1914-1922)
Gartenstraße (Hindenburgstraße) 86
Lüneburg
Familie Dr. Emil Strauß (1926-1933)
Der Rechtsanwalt Emil Strauß wurde 1885 in Obernkirchen, Kreis Rinteln geboren. Seine Eltern waren Louis (Loeb) Strauß und Franziska geb. Katzenstein. Emil wuchs zusammen mit seiner jüngeren Schwester Bella in Papenburg auf, wo sein Vater seit 1892 Lehrer der jüdischen Volkssschule war.
Nach dem Abitur in Leer studierte Emil Strauß Jura in Göttingen und promovierte. 1908 zog er zum ersten Mal für kurze Zeit nach Lüneburg, möglicherweise als Teil seines juristischen Referendariats. Danach ging er nach Berlin. Im März 1912 kam er zurück nach Lüneburg, um in der Kanzlei von Robert Simon Heinemann zu arbeiten. Nach Heinemanns frühem Tod 1920 führte Strauß die Kanzlei selbständig fort, zunächst noch in der Schießgrabenstraße, später in der Kleinen Bäckerstraße.
Am 20. Dezember 1921 heiratete Emil Strauß in Hamburg Maria Bertha Gebhardt, die zu ihm nach Lüneburg zog. In den folgenden Jahren wurden hier ihre drei Kinder Peter, Gertrud und Gebhardt geboren. Die Familie lebte zunächst in der Gartenstraße, dann in der Ilmenaustraße und schließlich ab 1926 im Lüner Weg. In dieser schönen und damals sehr modernen Wohngegend wohnten zu dieser Zeit u.a. auch die Familien von Adolf Lindenberg und Leo Joseph.
Emil und Maria Strauß mussten privat schwere Schicksalsschläge hinnehmen: Ihre Tochter Gertrud starb schon 1927 mit knapp drei Jahren, ihr jüngster Sohn Gebhardt kam 1936 bei einem Badeunfall in Dänemark ums Leben.
Emil Strauß, der ab 1924 auch Notar war, stand der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) nahe und war ein kämpferischer Verteidiger der jungen Weimarer Republik. Deshalb geriet er schon vor 1933 ins Visier der Nationalsozialisten. Der Historiker Dirk Stegmann schreibt: "Durch seine Tätigkeit als Rechtsberater des sozialdemokratischen Regierungspräsidenten Christian Herbst beendete Strauß eine jahrzehntelange Tradition in der Stadt: Bisher hatten stets eher konservative Rechtsanwälte und Notare diese hervorgehobene Beratertätigkeit bei den bis 1923 durchgehend konservativen Regierungspräsidenten ausgeübt. [...] Strauß trat sehr selbstbewusst in der Öffentlichkeit auf und wusste seine Prominenz als Anwalt auch gezielt einzusetzen. Früh prozessierte er mit dem völkischen Agitator Adalbert Volck, als dieser ihn 1923 mit falschen Tatsachenbehauptungen angegriffen hatte."
In einem üblen antisemitischen Artikel der NS-Zeitung "Niedersachsenstürmer", die die angebliche "Verjudung" der Lüneburger Gesellschaft anprangerte, wurde Emil Strauß Anfang 1929 zusammen mit anderen Lüneburgern jüdischer Herkunft - darunter auch die Ärztin Dr. Lotte Heinemann - heftig angegriffen und faktisch zur Zielscheibe gemacht. Wenig später im Jahr 1929 verübten rechte Aktivisten ein Bomben-Attentat auf das Privathaus der Familie Strauß im Lüner Weg und auf das Gebäude des Regierungspräsidiums. Niemand wurde verletzt, aber es entstand großer Sachschaden.
"Strauß war spätestens seit dieser Zeit die Hassfigur der völkischen Rechten und der NSDAP" schreibt Dirk Stegmann weiter: "In der Krise der Republik 1932, als es zu Hungerunruhen und Aufläufen am Wohlfahrtsamt der Stadt kam, verteidigte Strauß als Anwalt der Roten Hilfe, einer Hilfsorganisation der KPD, eine angeklagte Ehefrau eines seit drei Jahren Arbeitslosen, der der KPD angehörte. Er konnte die Strafe von einem Jahr Zuchthaus, die der Staatsanwalt beantragt hatte, durch sein Plädoyer auf eine Woche Gefängnis [...] begrenzen. Er setzte sich also parteiübergreifend ein, wenn er es für geboten hielt."
Emil Strauß gehörte in Lüneburg auch zum Vorstand des "Centralvereins Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", in dem unter anderem der Arzt Nathan Albert Ransohoff und der Kaufmann Adolf Schickler mit ihm aktiv waren.
1932 starb Emils Vater Louis Strauß in Papenburg. Seine Mutter Franziska zog zu ihrem Sohn und dessen Familie nach Lüneburg.
Nach Beginn des NS-Regimes durfte Strauß nicht mehr als Rechtsanwalt arbeiten. 1933 wurde er im Landgericht Lüneburg sogar kurzzeitig von SA-Männern festgenommen. Sein Leben war in Gefahr: im September 1933 bedrohten NSDAP-Funktionäre und SA-Männer aus Winsen Emil Strauß in seinem Privathaus. Sie beschimpften ihn als "Verräter und Mörder". Die von Strauß zur Hilfe geholte Polizei nahm den Vorfall auf, die Attacke hatte jedoch keine Konsequenzen. Kurz danach verließ Emil Strauß mit seiner Familie die Stadt Richtung Hamburg.
Aufgrund seines Berufsverbots als Rechtsanwalt war Strauß nun gezwungen, auf andere Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zeitweilig arbeitete er 1934 für die "Odenwald Bird Company" in New York, ein von deutschen Emigranten gegründetes Unternehmen, das sich auf den Import von europäischen Ziervögeln in die USA spezialisiert hatte. Später war er als Prokurist für eine Hamburger Im- und Exportfirma tätig, deren jüdische Inhaber jedoch 1938 gezwungen wurden, ihren Betrieb weit unter Wert an "arische" Kaufleute zu verkaufen.
Anfang 1939 floh Strauß mit Frau und Kind vor der NS-Verfolgung nach Großbritannien. Der Hausrat der Familie, der mit dem Schiff nach England transportiert werden sollte, wurde mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 im Hamburger Hafen festgesetzt. Der Holzcontainer (genannt "Liftvan") mit dem Besitz der Familie Strauß erreichte wie zahllose andere niemals seinen Bestimmungsort: 1941 fingen die Hamburger Behörden an, die Liftvans mit dem Hausrat von emigrierten Juden im Hafen zu beschlagnahmen, ließen deren Inhalte versteigern und in Deutschland "verwerten".
Emil Strauß" Mutter Franziska war in Hamburg zurückgeblieben. 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort starb sie kurz nach ihrer Ankunft unter unterträglichen Bedingungen. Emil Strauß" Schwester Bella, die mit dem sozialdemokratischen preußischen Ministerialbeamten Hans Emil Hirschfeld verheiratet war, konnte mit ihrem Mann noch 1940 in die USA fliehen.
Emil Strauß und Familie wohnten im Londoner Viertel Highgate. Nach dem Tod seiner Frau Maria im Oktober 1943 schloss Emil Strauß dort eine zweite Ehe mit Antonie Freudenberger. Er starb 1957 in London.
Quellen und Infos:
Zur Jüdischen Gemeinde Obernkirchen: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1494-obernkirchen-niedersachsen
Zur Familie Strauß/Katzenstein: https://www.weinberghaus.eu/wp-content/uploads/2024/08/1.7.-Katzenstein-Moritz-compr.pdf
Zur Erinnerung an Franziska Strauß geb. Katzenstein in Papenburg: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/p-r/1553-papenburg-aschendorf-emsland-niedersachsen
Emil Strauß 1907 im Amtlichen Verzeichnis der Studierenden der Königlichen Georg-Augusts-Universität zu Göttingen
Dirk Stegmann: Lüneburg 1918-1945. Stadtgesellschaft zwischen Kaiserreich, Republik und Diktatur, Lüneburg 2020, S. 165-167, 244, 269-271, 514.
Zum Bombenattentat auf Dr. Emil Strauß in Lüneburg 1929
Zur "Odenwald Bird Company", New York: https://www.newyorker.com/magazine/1938/09/17/guaranteed-to-sing
Überblick der Beschlagnahme des Hausrats der Familie Strauß in Hamburg 1941 und späterer Entschädigungsverfahren