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Henry und Gerda Jacobson, New York ... |
Sohn von
Bruder von
Vater von
Familie Meyer Mendel del Banco (1786-1797)
Familie Moses Gans (1797-ca. 1839)
Familie Philipp Behrens (1816-1869)
Familie Bernhard Behrens (1870-1893)
Familie Arnold Jacobson (1893-1932)
Bankier Meyer Mendel del Banco, später Elisa del Banco (1786-1797)
Bankier Moses Gans (1797-ca. 1839)
Mobilienhandlung, Papierfabrik und Papierhandel Philipp Behrens, später Adele Behrens (1816-1860)
Wäsche- und Aussteuergeschäft Arnold Jacobson (ca. 1886-1932)
Warenhaus Gubi (1932-1938)
Als Henry Jacobson 1930 mit seiner Frau Gerda das Geschäft übernahm, änderte er dessen Charakter von Grund auf. Nach dem Vorbild von Woolworth wurde das große Haus am Markt nun ein modernes „Kleinpreisgeschäft“ namens Gubi (von „gut und billig“). Noch Jahrzehnte später erinnerten sich Lüneburger, dort wegen des vielfältigen Angebots und der vielen Sonderangebote besonders gern eingekauft zu haben.
Sibylle Bollgöhn schreibt 1995 auf der Grundlage der Erinnerungen von Anny Latzer geb. Meer: "Herr Jacobson war ein modern eingestellter Mensch, dies zeigte sich in der Konzeption seines Kaufhauses Gubi und auch im Umgang mit dem Personal. So mietete er z.B. einen öffentlichen Raum in der heutigen Musikschule an, damit die Belegschaft einmal in der Woche zum Turnen zusammenkommen konnte. 1933 war es Juden jedoch untersagt, in öffentlichen Räumen an Veranstaltungen teilzunehmen. Eine Verkäuferin von Gubi, Frau A., war "Obmann" in der NSDAP. Sie monierte deshalb auch die Teilnahme von Frau Latzer. Herr Jacobson organisierte einen anderen Turnraum."
Die Nationalsozialisten pflegten von Anfang an einen besonderen Hass auf die aus den USA importierten Kleinpreisgeschäfte, zumal auf solche mit jüdischen Eigentümern. Mit allen Mitteln versuchten sie seit 1933, die Jacobsons zum Aufgeben zu bewegen. Erhaltene Beschwerdebriefe Henry Jacobsons zeigen, dass immer wieder Boykottaktionen stattfanden, die Schaufenster mit antisemitischen Plakaten beklebt wurden und SA-Männer vor dem Eingang einkaufswillige Kunden schikanierten.
Kaum überraschend, richtete sich im November 1938 die Gewalt der Pogromnacht denn auch als erstes gegen Gubi: Die NS-Aktivisten zerstörten alle Fenster des großen Gebäudes und warfen massenhaft Waren, darunter auch Lebensmittel, von oben auf die Straße. Die Familie Jacobson war angesichts der gegen sie gerichteten Angriffe schon 1936 nach Hamburg umgezogen und wohnte nicht mehr in Lüneburg, sodass sie selbst in der Nacht nicht Ziel der Gewalt wurde.
Nach seiner Festnahme setzte man Henry Jacobson im KZ Sachsenhausen massiv unter Druck, so schnell wie möglich sein Eigentum zu verkaufen und das Land zu verlassen. Seine als Professorin in den USA lebende Schwester Anna, die bereits vor dem Pogrom die Auswanderung ihrer ganzen Familie vorbereitet hatte, organisierte ihm in kürzester Zeit US-Einreisepapiere.
Jacobson überschrieb sein gesamtes Eigentum auf seine Frau Gerda, die sich mit aller Kraft für seine Freilassung eingesetzt hatte, und musste dann „direkt vom KZ aus zum Schiff“. Am 23. November 1938 fuhr er von Hamburg nach New York. Seine Frau kümmerte sich noch um die Abwicklung des Zwangsverkaufs und wanderte wenig später mit dem Rest der Familie aus. Das Geschäft wurde mit allem Inventar weit unter Wert verkauft. Wie bei allen „Arisierungen“ konnten die jüdischen Eigentümer nur über einen minimalen Teil des Kaufpreises verfügen.
Quellen und Informationen:
Sybille Bollgöhn, Jüdische Familien in Lüneburg, Lüneburg 1995, S. 56-69
Tobias Adam: Die Familie Jacobson und das Kaufhaus GUBI, in: Hanno Balz (Hrsg.): Verdrängung und Profit. Die Geschichte der "Arisierung" jüdischen Eigentums in Lüneburg 1933-1945, S. 56-62