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Karl Meer [*1887]

Geboren am 27.04.1887 in Pistyn, Galizien, Österreich-Ungarn (heute Ukraine), gestorben in Israel

Wohnort

Leopold Less (1899)
Familie Karl Meer (1916-1931)
Familie Marcus Leo Feintuch (1916-1919)
Salomon Brandweinmann (1920)

Auf dem Kauf 1
Lüneburg

Arbeitsstätte

Sterns Wäschehaus (1905-1937)
Hamburger Textilhaus, Inh. Karl Meer (1914-1935)
Preminger und Stein Möbel und Waren-Kredithaus, Inh. Günsberg, L.
(1919-1925)

Altenbrückertorstraße 5-6
Lüneburg

Wohnort

Familie Karl Meer (1914-1916)

Neue Sülze 11
Lüneburg

Karl Meer - der manchmal auch Kopel Meer, Jacob Meer oder Karl Koppel genannt wird - wurde 1887 in Pistyn (Pistyń) geboren, einem Dorf in Galizien, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Er wurde Grundschullehrer. Um 1912 heiratete er Ella Gaber (Garber), die aus der nahegelegenen Stadt Zabłotów stammte. Im August 1913 brachte Ella ihr erstes Kind Hermann (Hersch) in Zabłotów zur Welt.

Kurz darauf verließ Karl Meer Galizien, das in jener Zeit von sozialen Problemen und antisemitischer Gewalt gebeutelt war. Er zog nach Lüneburg - vielleicht hatte er dort Bekannte oder Verwandte aus Galizien. Seine Frau Ella und das Baby Hermann kamen im Juli 1914 hinterher, kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges.

1915 wurde das zweite Kind der Meers, die Tochter Anna (Anny) in Lüneburg geboren. Wenig später musste Karl Meer Lüneburg verlassen, um im Ersten Weltkrieg im österreichischen Militär zu dienen. Kurz vor seiner einjährigen Militärzeit heirateten Ella und Karl auch standesamtlich - vorher waren sie schon nach jüdischem Ritus verheiratet. Die Trauungsliste der Synagogengemeinde vermerkt: "Kriegstrauung beim Standesamt".

Im Dezember 1916 wurde Sohn Max geboren, der schon nach wenigen Wochen starb. 1917 kam Tochter Selma, 1920 Tochter Ilse zur Welt.

Seit 1916 wohnte die Familie Auf dem Kauf in der Altstadt. Karl Meer hatte zunächst ein Geschäft in Hamburg gegründet, das er jedoch schon bald nach Lüneburg verlegte und "Hamburger Wäschehaus Karl Meer" nannte.

Der Laden befand sich in der Altenbrücker Torstraße 5, in prominenter Lage am Eingang zur Altstadt. Das Geschäft bot viele günstige Waren an und war in Lüneburg sehr beliebt. Der Familie ging es wirtschaftlich gut. Die Kinder der Meers besuchten weiterführende Schulen und studierten oder arbeiteten danach in Hamburg. Dennoch gab es wenig Kontakte zu den alteingesessenen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde in Lüneburg. "Ostjuden" wie die Meers und andere aus Galizien zugezogene Familien hatten es schwer, von den zumeist stark assimilierten Lüneburger Juden anerkannt zu werden.

Hermann Meer erinnerte sich Jahrzehnte später: „Als ehemaliger k.u.k -Volksschullehrer sprach und schrieb mein Vater fehlerlos deutsch. [...] Meine drei Schwestern wurden in Lüneburg geboren. Anni absolvierte die Höhere Handelsschule in Harburg, Sema besuchte die Mittelschule, Ilse die Wilhelm-Raabe-Schule.  Ich selbst beschäftigte mich schon während meiner Schulzeit gründlich mit deutscher Literatur und Geschichte. Bis zu meiner Auswanderung 1933 hatten meine Eltern und wir Geschwister selbst absolut keinen gesellschaftlichen Kontakt mit Mitgliedern der deutsch-jüdischen Gemeinde. [...] Die Familien Günsberg, Klein und Lengel wurden schon frühzeitig naturalisiert, waren also vom legalen Standpunkt preußische Staatsbürger. Sie wurden genau wie alle andern Ostjuden von deutschen Gemeindemitgliedern nicht akzeptiert. Wir Ostjuden pflegten aber untereinander einen gesellschaftlichen Verkehr und fühlten uns recht wohl dabei, weil wir andere Sitten und Weltanschauung als unsere deutschen Glaubensgenossen hatten."

Möglicherweise auch vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen schloss sich Hermann Meer in Hamburg einer zionistischen Studentenverbindung an und bereitete schon vor 1933 seine Auswanderung nach Palästina vor. Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen waren, versuchten auch seine Schwestern und seine Eltern bald, das Land zu verlassen. Angesichts von Boykottaktionen und antisemitischen Schikanen musste Karl Meer sein Geschäft kurz nach dem Beginn der NS-Zeit schließen.

Im Winter 1934/35 verließen auch Karl und Ella Meer das Land: zusammen mit ihrer Tochter Selma gingen sie nach Palästina, wo Sohn Hermann und Tochter Ilse bereits lebten. Tochter Anny kam wenig später nach. Die Familie lebte von nun an in Haifa.



Quellen und Infos:

Communities: "Pistyn", in: Jewish Galicia and Bukowina, https://jgaliciabukovina.net/110735/community/pistyn

"Familie Meer", in: Sybille Bollgöhn, Jüdische Familien in Lüneburg, Lüneburg 1995, Seite 76-83

Manfred Göske, Manuskripte "Ostjuden in Lüneburg" und "Lüneburger Zionisten" mit Kommentaren von Hermann Meer; Sammlung Manfred Göske, Museum Lüneburg

Namensvarianten: Jacob Koppel Kopel