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Lotte Heinemann, ca 1948 ... |
Lotte Heinemann (ganz rechts) mit ihren ... |
Lotte Heinemann, ca 1920 ... |
Artikel in der Landeszeitung Lüneburg ... |
Lotte Heinemann, 1950er ... |
Familie Robert Heinemann (1898-1920), Witwe Selma Heinemann (1920-1931), Dr. Lotte Heinemann (1931-1936)
Schießgrabenstraße 10
Lüneburg
Rechtsanwaltspraxis Robert Heinemann (1898-1920)
Kinderarztpraxis Dr. Lotte Heinemann (1926-1936)
Schießgrabenstraße 10
Lüneburg
Familie Robert Heinemann (1888-1898)
Lotte Heinemann wurde 1892 als viertes Kind von Selma und Robert Heinemann in Lüneburg geboren. Nach zwei Jahren in Kassel - vermutlich auf einem besonderen Mädchengymnasium mit Möglichkeit, das Abitur abzulegen - begann sie zum Sommersemester 1915 in München ein Universitätsstudium. Dies war ein damals noch ungewöhnlicher Schritt für eine junge Frau.
1923 kehrte sie nach abgeschlossenem Studium kurz nach Lüneburg zurück und brach dann 1924 auf eine große Reise nach Indonesien auf: Mehrere Monate verbrachte sie bei ihrem Onkel Henry Joseph Heinemann, dem einzigen anderen Mediziner in dieser Familie der Kaufleute und Bankiers. Als Tropenarzt war er seit vielen Jahren Chefarzt des Krankenhauses einer großen niederländischen Tabakplantage bei Medan auf der Insel Sumatra.
Nach ihrer Rückkehr ließ Dr. Lotte Heinemann sich in Lüneburg als Kinderärztin nieder, im elterlichen Wohnhaus in der Schießgrabenstraße 10. Außerdem arbeitete sie als Assistentin des Lüneburger Kreisphysikus und betreute dabei unter anderem die Kinder im Erholungsheim Wilschenbruch. „Es war eine schöne Position“, erinnerte sie sich später. „Ich wurde mit dem Landratsauto über Land gefahren und meistens nach der Schule mit einem Imbiß bewirtet. Die Leute waren sehr freundlich. Sie kannten Papa und wurden erst feindlich, als Hitler kam.“
Die Nationalsozialisten in Lüneburg attackierten Dr. Lotte Heinemann schon früh, noch in der Zeit der Weimarer Republik. NSDAP-Gauleiter Otto Telschow erklärte es 1929 in seiner Zeitung „Niedersachsenstürmer“ zum Skandal, dass „ausgerechnet eine Jüdin Heinemann für würdig befunden wurde, als Kreisschulärztin die Gesundheit unserer Bauernbuben und -mädel im Landkreis Lüneburg zu überwachen.“ Schon kurz nach dem Beginn der NS-Herrschaft sorgten nationalsozialistische Berufskollegen in Lüneburg dafür, dass ihr die Kassenzulassung entzogen wurde.
Bis 1936 harrte Lotte Heinemann unter schwierigen Bedingungen in Lüneburg aus, dann emigrierte sie in die USA. Ihre Brüder Kurt und Hans wohnten dort schon seit den frühen 1920er Jahren. Lotte ließ sich in New York im Stadtteil Washington Heights nieder, der zu jener Zeit von deutsch-jüdischen Emigranten geprägt war. Sie holte alle medizinischen Prüfungen nach und konnte schließlich wieder als Kinderärztin praktizieren.
1939 konnten auch ihre Schwestern Else Rhee und Gertrud Heinemann noch kurz vor Kriegsbeginn nach New York fliehen und fanden Wohnungen in der Nähe. Lotte und Gertrud, die bis 1939 Krankenschwester am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg gewesen war, verbrachten oft ihre Freizeit miteinander, reisten regelmäßig in die Schweiz und kümmerten sich um ihre Nichten und Neffen sowie andere Mitglieder der Heinemann‘schen Großfamilie in den USA.
1972 starb Lotte Heinemann auf der Straße vor ihrem Haus in New York. Ihre Schwester Gertrud war bei ihr.
Quellen und Infos:
Lotte Heinemann im Studierendenregister der Ludwig-Maximilians-Universität 1915
Briefe von Lotte Heinemann an ihre Mutter Selma Heinemann aus Tandjong Morawa, 1924-1925. Stadtarchiv Lüneburg, NMa 28b.
Manfred Göske: Eine tüchtige Ärztin in bester Erinnerung, in: Landeszeitung Lüneburg, 02.06.1982.
Otto Telschow: "Juda in Lüneburg", in: Niedersachsenstürmer, 07.06.1929
Namensvarianten: Lottie Charlotte