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Hirsch Lengel, date unknown ... |
Haus der Familie Lengel in der ... |
Vater von
Ehemann von Bertha Lengel, geborene Lirt [*1872]
Familie Hirsch Lengel (1919-1940)
Witwe Esther Feintuch (1925)
Familie Heinrich Kapp (1926-1933)
Albert und Anna Horwitz (1941-????)
Salzbrückerstraße 64 (heute 69)
21335 Lüneburg
Familie Hirsch Lengel (1904-1919)
Salzbrückerstraße 23
21335 Lüneburg
Produkten- und Fellhändler Hirsch Lengel (1919-1940)
Salzbrückerstraße 64 (heute 69)
21335 Lüneburg
Bertha und Hirsch Lengel (1942)
Hirsch Lengel wurde 1873 in der kleinen galizischen Stadt Dąbrowa (manchmal auch Dombrowa geschrieben) geboren, die damals zum österreichisch-ungarischen Reich gehörte. Um 1897 heiratete er Bertha Lengel, geborene Lirt, die ebenfalls aus Dąbrowa stammte. Zu dieser Zeit gab es in der Stadt eine große jüdische Gemeinde, doch war es für Juden sehr schwierig, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Nach der Geburt ihres vierten Kindes im Jahr 1903 beschloss die Familie Lengel, Dąbrowa zu verlassen. Im Jahr 1904 kamen sie in Lüneburg an. Vielleicht standen sie in Kontakt mit Frieda Klein geb. Lirt, die eine Schwester oder Cousine von Bertha Lengel gewesen sein könnte. Sie hofften, dass das Leben für ihre wachsende Familie in Deutschland, und speziell in Lüneburg, besser sein könnte als im politisch und wirtschaftlich unruhigen Galizien.
Als Kaufmann spezialisierte sich Hirsch Lengel auf den Handel mit Rohstoffen, Kohle und Altmetall. Die Lengels arbeiteten hart, sie waren erfolgreich, ihre Geschäfte liefen gut. Vier weitere Kinder wurden zwischen 1904 und 1909 geboren. Grete, die Jüngste, starb 1912 im Alter von 3 Jahren.
Im Jahr 1914 musste Hirsch Lengel Lüneburg verlassen, um als Soldat der österreichischen Armee im Ersten Weltkrieg zu dienen. 1919, kurz nach seiner Rückkehr nach Lüneburg, kaufte er ein großes Haus in der Salzbrückertorstraße. Bald wurde er zu einer der führenden Persönlichkeiten in der Gruppe der so genannten Lüneburger "Ostjuden". Die meisten von ihnen waren erst nach dem Ersten Weltkrieg aus Polen oder Russland nach Westen gezogen.
Bereits 1909 hatte Hirsch Lengel damit begonnen, Gegenstände - von Bügeleisen über Gewichte und Waagen bis hin zu Kämmen - an das Lüneburger Museum zu verkaufen und auch zu spenden. Offensichtlich fühlte er sich Lüneburg und seiner Geschichte sehr verbunden.
Im Jahr 1923 wurden die Lengels deutsche Staatsbürger. Nach dem Beginn der NS-Herrschaft wurde ihnen diese Staatsbürgerschaft 1935 wieder entzogen. Sie waren nun offiziell staatenlos, was auch bedeutete, dass sie ohne jeden Schutz waren.
Im Frühjahr 1937 wollten die deutsche Regierung, die Handelskammern und die Nazipartei die jüdischen Schrotthändler und Antiquitätengeschäfte loswerden - diese Bemühungen wurden "Entjudungsbestrebungen" genannt. In Lüneburg bedeutete das vor allem: dafür zu sorgen, dass Hirsch und sein Sohn Jakob Lengel aus dem Geschäft gedrängt wurden.
Die Schließung des Lengel-Geschäfts dauerte eine Weile, weil Hirsch Lengel immer wieder bei den Behörden beantragte, ihm etwas mehr Zeit für den Ausverkauf seiner Waren zu geben. Im September 1937 war es dann soweit: Hirsch Lengel hatte kein Geschäft mehr, kein regelmäßiges Einkommen, er musste von seinem kleinen Kapital leben. Unter Druck verkaufte er unter anderem zwei wertvolle historische Damasttücher für einen sehr niedrigen Preis an das Lüneburger Museum, das auf diese Weise von seiner Notlage profitierte (2017 wurden sie als NS-Raubgut an die Familie Lengel restituiert).
Im Zuge der Novemberpogrome 1938 gehörte Hirsch Lengel zu den elf jüdischen Männern aus Lüneburg, die ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurden. Im Unterschied zu vielen anderen Häftlingen wurde Hirsch Lengel schon nach wenigen Tagen wieder entlassen. Möglicherweise hatte das mit seinem Alter zu tun. In jedem Fall wurde er nur unter der Bedingung entlassen, den Zwangsverkauf seines Hauses in der Salzbrücker Straße voranzutreiben, alle notwendigen Papiere dafür so schnell wie möglich zu unterschreiben und die Emigration der Familie voranzutreiben.
Zu jener Zeit lebten die meisten Kinder von Hirsch und Bertha nicht mehr in Lüneburg: Sie waren nach Holland, nach Frankreich und in die USA ausgewandert. Hirschs Sohn und Geschäftspartner Jacob war bereits 1937 nach Dachau und später nach Buchenwald deportiert worden. Er wurde erst Anfang 1939 entlassen, unter der Bedingung, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.
Jakob Lengel entkam gerade noch rechtzeitig, er floh in Juni 1939 nach England und später in die USA. Seine Eltern wollten ihm wenig später folgen. Doch der Krieg brach aus, und bald saßen Hirsch und Bertha Lengel in Deutschland fest. Sie waren nun nur noch Mieter in einer kleinen Wohnung in dem Haus in der Salzbrücker Straße, das ihnen zuvor selbst gehört hatte.
Im Juni 1942 mussten sie aus dieser Wohnung in ein winziges Zimmer im Armenhaus der Stadt im Bardowicker Wasserweg umziehen. Von dort aus wurden sie deportiert, zunächst am 20. Juli 1942 nach Theresienstadt, von dort am 21. September 1942 weiter ins Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurden. Auch vier ihrer acht Kinder kamen im Holocaust ums Leben.
Quellen und Infos:
Rückgabe von Museumsobjekten an die Erben des Lüneburger Kaufmanns Hirsch Lengel
Familienbriefe, Privatbesitz Joan Lengel, USA
Indexkarte für Auswanderungswillige, JDC, Transmigration Bureau
Namensvarianten: Hersch Meyer